Chororgel in St. Remigius, 9 Register, I+P, Martin Scholz, Zustand 2018
Die Vorbereitungen zur Renovierung der Remigiuskirche nehmen sehr geometrische Formen an. Der einpackende Orgelbauer, Hartmut, tröstete mich: ich könne sie an Weihnachten ja wieder auspacken. Früher war mehr Lametta. :-)
Im Vorfeld der Sitzung studiere ich den Jury-Ordner des NRW-Programms „Kultur und Schule“, und wieder stellt sich die aus den Vorjahren bekannte, mich bedrückende Erkenntnis ein: es gibt kaum Projekte aus der Sparte Musik. Und oftmals beschränkten sich die eingereichten Musik-Projekte quer durch alle Schularten auf den Bereich Perkussion. Auch ist Musik ungleich häufiger Teilgebiet des Projekts als dessen Hauptinhalt - wohl ein Ausdruck der Krise der Fachlichkeit des Musikunterrichts in Zeiten von (zu Recht geforderten) fachübergreifenden Arbeitsweisen.
Aus meiner Sicht fällt es daher mangels geeigneten Angebots schwer, der im Erlaß formulierten Forderung nach einer breiten Einbindung der Sparten zu entsprechen. Die dort erwähnten „bislang schwach vertretene Sparten, wie z.B. Literatur, Film oder neue Medien“ sind häufiger und besser vertreten als rein musikalische Projekte.
Ich schmiere mir Honig auf den Kopf, und staubiges Blattgold; schließlich treffe ich heute Abend auf den toten Hasen. Ich soll ihm die Bilder erklären.
Grausam: gestern, nach einer Aufführung von Bernd Alois Zimmermanns „Ekklesiastischer Aktion“ in der Kölner Philharmonie in den Nachhall des letzten Tons ein lauter „Buh“-Ruf. Als solcher kein Problem (ich fand die Aufführung grandios, und wer zu einer anderen Bewertung kommt, sollte diese auch kundtun), aber der Zeitpunkt: Wie kann man in den Nachhall eines derartigen Werkes, das den aufmerksamen Zuhörer aufs Persönlichste treffen muss, überhaupt etwas rufen?
Ich fühle mit den Mitwirkenden, die mindestens so viel Respekt verdient hätten, nicht Opfer derart destruktiven Verhaltens zu werden.
Ein außergewöhnlicher Ortstermin gestern: Über eine Stunde lang haben wir in der leeren Remigiuskirche ausschließlich Clusterklänge improvisiert. Der Raum ist extrem hallig, die Akustik überwältigend. Eine beeindruckende körperliche Erfahrung. Das Zeitfenster dafür schließt sich bereits, schon werden Bodenplatten aus Zellulose und Holz als Untergrund für die Baugerüste verlegt.
Im Zuge der Renovierungsarbeiten in der Remigiuskirche werden derzeit vorübergehend alle Bänke entfernt, um Baugerüsten Platz zu machen. Großartig, wie sehr sich dadurch der Raumeindruck weitet.
Wenn am Ende der Renovierung durch eine neue Beleuchtung und eine einfarbige Fortführung der Pfeiler nach oben die Vertikale stärker als bisher betont wird, wird auch das den spätgotischen Raum weiten, aber halt nach oben hin. Ich bin auf diese Wirklung sehr gespannt.
Für mich beginnt mit der Renovierung allerdings eine Zeit, in der ich sehr schweren Herzens und wachen Auges auf meine liebste Orgel [Blick gen Westen] verzichten muss: Damit die äußerst wertvollen Instrumente in unserer Kirche während der Renovierungsphase keinen Schaden nehmen, werden Orgelbauer Martin Scholz in Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Dewey – beiden vertraue ich – sie einhausen.
Wem arbeite ich doch und breche meiner Seele ab? Das ist eine böse Mühe.
Die letzte Komposition Bernd Alois Zimmermanns (er suizidierte sich 5 Tage nach Fertigstellung der Partitur), die Ekklesiasitische Aktion „Ich wandte mich und sah an alles Unrecht, das geschah unter der Sonne“, verschneidet den im Titel stehenden Text aus Kohelet 4 mit der Erzählung „Der Großinquisitor“ aus dem Roman „Die Brüder Karamasow“ von Fjodor Dostojewski. Diese enthält den Monolog eines 90-jährigen Kardinal Großinquisitors angesichts der fiktiven Rückkehr eines schweigenden Jesus Christus im 16. Jahrhundert.
Auch wenn ich nicht alles umsetze (besser: umsetzen kann), finde ich die Prinzipien des IndieWebs unbedingt nachvollziehbar und unterstützenswert. Ich wünschte, bei privaten Webseiten wären diese Prinzipien flächendeckend umgesetzt.
Trotz meines Pessimismus' diesbezüglich unterstützt mein Journal als einen Beitrag dazu nun Webmentions - mit der großartigen Hilfe von Gregor Morrill, der ein ProcessWire-Modul zu Webmentions schrieb und betreut.
Heute war ich in der Eifel, um eine 2007 erbaute Feldkapelle des Schweizer Architekten Peter Zumthor zu besuchen, der auch das Kölner Kolumba-Museum entworfen hatte. Beeindruckend: das Spiel zwischen äußerer Betonhülle auf der einen und durch verbrannte Fichtenstämme geprägte Innengestaltung auf der anderen Seite. Ich habe einige Fotos auf Cor.am gepostet.
Gestern gab es „Sieidi“ in der Viersener Festhalle, ein Konzert des finnischen Komponisten Kalevi Aho für Perkussion und Orchester mit dem wunderbaren Interpreten Martin Grubinger und der Dresdner Philharmonie. Standing Ovations, die Martin Grubinger zweifellos verdient hat. Es gibt ein Youtube-Video mit ihm und diesem Stück.
So sehr ich das Stück aber auch genossen habe (jedenfalls mehr als die in meinen Ohren deplazierte Brahms-Zugabe des Orchesters ganz am Ende): es hinterläßt wegen seiner Heterogenität und streckenweise dann doch großer Gefälligkeiten einen eher zwiespältigen Eindruck bei mir.
Mein allerliebstes Werkzeug. Ich habe im Lauf der Zeit viele Orgeln gespielt, aber keine bedeutet mir so viel wie diese, keine ist mir in ihrer Einseitigkeit so vielseitig.
Neulich spielte dort ein Gast den zweiten Satz aus Schuberts Klaviersonate Nr. 20 D 959, also überhaupt nicht der französische Stil der WOEHL-Orgel, ja nicht mal original Orgelmusik. Und es war wunderbar.
Ich bin auf der Suche nach editierten Transkriptionen dieser Sonate, meines Wissens gibt es keine. Heute habe ich begonnen, den ersten Satz für Orgel zu setzen.
Ich bastele an einer Webmentions-Unterstützung für diese Webseite. Mindestens den POSSE-Gedanken aus dem IndieWeb halte ich für charmant, auch wenn er in der Wirkung die Relevanz kommerzieller sozialer Netzerke nicht oder nur teilweise in Frage stellt. So zielführend die Seite-zu-Seite-Vernetzung inklusive der Möglichkeit gegenseiter Bezugnahme für diesen Zweck ist: es fehlt dann noch viel, zu allererst das Zusammenaggregieren in eine Zusammenschau, das, was bei Facebook und Twitter mal die Timeline war, bevor Algoritmen die Veröffentlichungszeitpunkte von Posts als Ordnungskriterium zugunsten nebulöser werbeoptimierter Zusammenhänge ablösten.
Es gibt zu diesem Zweck eine ganze Phalanx von Feedreadern und .php-Systemen etc. im Netz, sogar wenig komplizierte. Der Aufwand aber, den man betreiben muss, um annähernd die Bequemlichkeit Facebooks zu erreichen, veranschaulicht einerseits deutlich die technische Leistung der Facebook-Entwickler, andererseits erklärt es auch die Trägheit der User bei der Alternativensuche.
Wie groß ist wohl schon die Abhängigkeit derer, die zur Ware von Facebook & Co. geworden sind (— mich eingeschlossen)? Oder auch: Was wäre es den Usern, en gros, wohl wert, würde Facebook sich nicht mehr über Werbung, sondern Kostenbeiträgen finanzieren?
Ich habe – beruflich verletzungsbedingt derzeit ausgebremst – die Vorgängerseite unter Cor.am überarbeitet und mit einigen Fotos bestückt. Für mich eine Premiere: ich nutze dazu erstmalig kein selbstgebautes, sondern, scnr, ein vorgestanztes, horizontal zu scrollendes Template von AJ.
Das Jammern um Facebook ist für mich umso unverständlicher, als es heute leicht, sehr leicht ist, ein Weblog aufzusetzen. Angesichts der hässlichen Komplexität Facebooks kann Einfachheit jedenfalls kein Argument sein. Das Aggregieren dessen, das mich interessiert ist da schon etwas komplexer. Es wird dennoch Zeit, das Netz wieder auf die Füße zu stellen, daß User User und nicht Ware sind, und diejenigen, die Content generieren auch dessen Eigentümer bleiben.
Wenn am Ende der Osternachtsfeier in St. Remigius die lateinischen Osterlaudes gesungen werden und der Organist genau in dem Moment, in dem die Choralschola die Benedictus-Verse Sicut locutus est per os sanctorum, qui a saeculo sunt, prophetarum eius intoniert, in die Begleitung wie zufällig als neue Klangfarbe ausgerechnet die Voix humaine mischt, ist das für mich, singend, ein überzeitlicher Moment.
Der heute in der Rheinischen Post erschienene Bericht zur Passionsmusik am vergangenen Sonntag irritiert mich, weil er objektiv Fehler enthält: Selbstverständlich habe ich die Eröffnungssonata des Kantatenzyklus dirigiert, und diese war auch korrekt mit zwei Barockviolinen und Continuo instrumentiert. Offensichtlich ist dem Autor vollkommen entgangen, daß dem barocken Werk eine „Lachrima“ des Renaissancekomponisten John Dowland vorgeschaltet war, wie es auch im Programmheft ausgewiesen war.
Tobias Kölling erinnerte rechtzeitig vor der Aufführung des Kantatenzyklus „Membra Jesu Nostri“ am gestrigen Sonntag an einen wichtigen Schlüssel zum Verständnis des Werks. Buxtehude besingt die Körperteile des Gekreuzigten nach dem a capite ad calcem (svw.: „vom Scheitel bis zur Sohle“) genannten, der mittelalterlichen Vagantenlyrik und antiken Poesie verpflichteten Prinzip (allerdings in Umkehrung der vertikalen Raumsemantik). Tobias schreibt:
An Palmsonntag hat Thorsten ein Konzert mit besonderem Konzept auf dem Programm: sieben Kantaten beschreiben nacheinander Körperpartien des gekreuzigten Jesus. Es beginnt mit den Füßen und endet beim Gesicht. Da steckt natürlich viel Theologie drin (man arbeitet sich ja nicht nur aufwärts sondern auch nach innen, vom körperlichen letztlich ins seelische).
Vor allem aber ist es eine verblüffende Parallele zu etwas anderem: Minnesänger besaßen als Grundgerüst für ihre Lieder über eine unerreichbare Angebetete genau dasselbe Konzept. Sie fingen bei den Füßen an und beschrieben in einem Lied den gesamten Körper der Verehrten streng aufwärtsstrebend. Somit ist das Konzert am diesem Sonntag auf gewisse Weise auch das: eine Liebeserklärung.
Ich freue mich sehr über diesen Vorbericht der RP zu „Membra Jesu Nostri“ — allerdings frage ich mich, warum die Namen der Ausführenden nicht genannt werden:
Ich war heute mit Literaturstudentin Rebecca Dormels bei dem Gambisten Lutz Heiwolt, der ja in St. Remigius bereits häufiger zu hören war. Die „Rheinische Post“ wird einen Vorbericht zur Aufführung von Membra Jesu Nostri am Palmsonntag erstellen und möchte die verwendeten historischen Instrumente portraitieren.