Thorsten Konigorski

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Orgelprothese

Gerade gestern noch habe ich mehrere Stunden zusammen mit Martin Scholz in der Orgel der Remigiuskirche mit der Sichtung sich auflösender Bleikondukte verbracht und lese heute, daß Orgelbau und -musik bei der UNESCO Welterbe der Menschheit werden soll.

Ich bin da sehr gespalten. Ich verstehe, was György Ligeti meint, wenn er von der Orgel als „riesiger Prothese“ spricht („ihre Unbeholfenheit, Steifheit und Eckigkeit“). Sie ist den allermeisten Instrumenten unterlegen, weil sie wie kein anderes die Klangerzeugung, das Formen des Klangs und das Ringen um ihn vom Spieler entfernt und mechanisiert. In Orgelaufnahmen beispielsweise von Glenn Gould ist dies evident. Andererseits ist jede Orgel ein auf den Stand-  und Klangort hin konzipiertes Unikat, sie ist nicht allein klingendes Instrument, sondern auch optisch präsent, sie ist Skulptur und Architektur - und mindestens in dieser Hinsicht wohl die Königin der Instrumente.

An der Orgel der Remigiuskirche ist beim Bau vom genialen Gerald Woehl konsequent alles das, was an der Orgel „Maschine“ ist, auf das Minimum reduziert worden. Bis heute erlebe ich bei Besuchern Staunen darüber (zumal diese Art des Orgelbauens, eine Zeitlang schulemachend, derzeit wieder zu kippen scheint) — teils irritiert, meist bewundernd und bisweilen auch ablehnend. Ich aber bin nach wie vor froh darüber, da es meinen Vorstellungen vom Instrument Orgel präzise entspricht. Wenn Orgel, dann so.

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