Eine echte Entdeckung: Flötenquintette (Flöte, Violine, 2 Bratschen, Cello) des in Vechta geborenen Andreas Jakob Romberg (1767 - 1821). Romberg war zu seiner Zeit hochgeschätzt und wurde in einem Atemzug mit Haydn, Mozart und Beethoven genannt, geriet aber nach seinem Tod schnell in Vergessenheit. Vielleicht kommt er in seinem 200. Todesjahr wieder mehr in den Fokus der Öffentlichkeit.
Bemerkenswert: in einer gewissen Analogie zu Haydns Kaiserquartett Op. 76, dessen zweiter Satz aus vier Cantus-firmus-Variationen des Liedes „Gott, erhalte Franz, den Kaiser“ - der Melodie zur deutschen Nationalhymne - besteht, verarbeitet Romberg im sehr hörenswerten dritten Satz seines e-Moll-Flötenquintetts Op. 41 die Melodie des national anthem Großbritanniens „God Save the Queen“ in schöner sinfonischer Manier. Eine Aufnahme davon gibt es auf Youtube .
Es geht um einen Bibel-Workshop-Tag, und die feierlich-mystische Aura seiner L’Ascension trifft perfekt auf den literarischen Ton seiner biblischen Vorlage. Diese sei - so schreibt Rudolf Schnackenburg im HThK - wie durch „eine wundervolle Orgelmusik ergriffen“. Man trifft sich also.
Angesichts der Bedingungen der Komposition und der Uraufführung des Quartour pour la fin du temps allerdings wird mir klar, wie unbedingt essentiell Kunst nicht nur für die Künstler ist: Die Uraufführung des kompletten Werkes fand im Lager in Görlitz am 15. Januar 1941 vor ca. 400 hungernden und frierenden Kriegsgefangenen statt.
Es mag schon alt sein, klar, weit bevor das Wort „Resilienz“ so modern wurde, aber folgendes Zitat von Richard von Weizsäcker hat nichts von seiner Gültigkeit verloren, es erscheint mir aktueller denn je:
„Es ist grotesk, dass wir Ausgaben im kulturellen Bereich ‚Subventionen’ nennen, während kein Mensch auf die Idee käme, die Ausgaben für ein Bahnhofsgebäude oder einen Spielplatz als Subventionen zu bezeichnen. Der Ausdruck lenkt uns in eine falsche Richtung.
Denn Kultur ist kein Luxus, den wir uns leisten oder nach Belieben streichen können, sondern der geistige Boden, der unsere innere Überlebensfähigkeit sichert.“
(Hier zitiert aus der Welt, das Zitat findet sich aber sehr häufig.)
Am Mittwoch saß ich mit der Fachschaft Kirchenmusik in Klausur zusammen, und natürlich ist die Chorsituation mit Corona das beherrschende Thema. Immerhin: alle haben die Probenarbeit - mit unterschiedlichen Modi und Rahmenbedingungen - wieder aufgenommen. Thumbs up! Es bleibt die bange Frage, was uns Perspektive gibt, und die Sorge, daß sich die Situation verändern wird, stärker, als wir es noch vor wenigen Monaten gedacht hatten. An Gestaltungswillen, jeden erdenklichen Handlungsspielraum zu nutzen, mangelt es jedenfalls nicht.
Der Sänger des Berliner Rundfunkchores David Stingl hat die als Wiki angelegte Materialsammlung aerosole.net zum Thema Singen und Corona gestartet. Ich beobachte das Thema - es ist für unsere Chöre höchstrelevant - und beteilige mich am Wiki.
Der Leiter der Berliner Singakademie Kai-Uwe Jirkagestern im Radiosender Deutschlandfunk Kultur über die bedrückend prekäre Lage der Chöre, die undifferenzierte und auch unkreative Verordnungslage im Berliner Senat und einem möglichen Protest dagegen:
„Ich denke, dass der erste Flashmob organisiert wird, und ich kann nur sagen, wenn 100 Knaben das dreigestrichene C zusammen singen, und das können sie, das können sie lange und laut. Dann werden sie gehört.
Wir sind zwar nicht ganz so laut wie die Traktoren, aber ich muss noch mal sagen bei aller Diskussion über die Abstände und über die Wissenschaftlichkeit: Das emotionale Momente des Singens, die Notwendigkeit als Lebens-und Kulturäußerung, das ist etwas, was uns von anderen Bereichen abhebt und wo ich mir etwas mehr Differenzierung wünsche.“
Wenngleich coronabedingt Live-Auftritte nicht stattfinden können und unabhängige Musiker um ihren Lebensunterhalt fürchten müssen, spielt Musik offenbar dennoch eine große Rolle derzeit: Leute singen miteinander auf ihren Balkons oder musizieren „einander zu“, es gibt eine ungekannte Fülle von Splitscreen-Videos. An anderer Stelle habe ich dazu eingeladen, in dieser Zeit mal ganz bewusst Musik zu hören.
Ich finde es daher in diesem Kontext außerordentlich spannend, dass nun das Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik das internationale Forschungsnetzwerk Musicovid initiiert; dazu heißt es in der Projektbeschreibung:
„Es scheint, dass Musik großflächig und kreativ als Mittel genutzt wird, um die diversen Herausforderungen, die die aktuelle Krise an den Einzelnen stellt, individuell und sozial zu bewältigen, darunter Angst, Langeweile, Einsamkeit, Stress und Zukunftsunsicherheit. Daher hat sich ein globales Netzwerk von Forschern unterschiedlicher Herkunft gebildet, um sich mit dem Ziel zusammenzuschließen, die Vielzahl der Arten, wie Musik während der COVID-19-Pandemie verwendet, erlebt und diskutiert wird, zu dokumentieren, zu untersuchen und zu verstehen. Wenn wir erklären können, wie und unter welchen Umständen Musikpraktiken dem Einzelnen die Möglichkeit bieten können, mit einer bedrohlichen Situation wie der jetzigen fertig zu werden, könnte dieses Wissen den Gesellschaften helfen, besser vorbereitet zu sein, sollte es in Zukunft zu einer ähnlichen Situation kommen. Allgemeiner ausgedrückt können die Forschungsergebnisse aus dieser Arbeit langfristige Auswirkungen auf die Entwicklung klinischer und therapeutischer Interventionen und bewährter Verfahren zur Bekämpfung von Einsamkeit und sozialer Isolation haben.“
Eben wiederentdeckt, großartig: “90 percent of design is typography. And the other 90 percent is whitespace” (Jeffrey Zeldman in einem Post Ende 2015). Offensichtlich ist er derzeit an COVID-19 erkrankt, ich hoffe, dass er glimpflich davonkommt.
Lesenswert: Martin Hufner veröffentlichte im Auftrag des Deutschen Kulturrats einen Text für die aktuelle Ausgabe der Zeitung „Politik & Kultur“ mit dem Titel Der künstlerische Wert des Analogen - Ästhetische Probleme der digitalen Transformation von Kunst, der ziemlich exakt das wiedergibt, was ich auch für gestreamte Gottesdienste empfinde.
War ich beim Lesen zunächst köstlich amüsiert durch die Sprache (Von Weitem hielt ich sein Getröte zunächst für eine der Posaunen aus der Johannesoffenbarung. Ich wollte mich schon entnervt aufmachen und wütend durch meinen Kiez thomasbernharden.) und den Inhalt (Haben Sie schonmal eine*n Geigenschüler*in bei den ersten Spielversuchen gehört?) gleichermaßen, läßt er mich nun, einen Tag später, zwiegespalten zurück.
Als Musiker bin ich verhältnismäßig empfindlich mit dem, was an mein Ohr dringt. Da reicht es bisweilen schon, wenn im Nachbarshaus das Besteck wieder Stück für Stück in die Schublade gepackt wird. Die Frage aber ist doch: wieviel Halbfertiges, wieviel „Zwischenstand“ wird von der Gesellschaft ge– und auch ertragen? Das Internet wimmelt von Kalendersprüchen der Marke „Der Weg ist das Ziel“, und doch drängt sich mir gerade für den künstlerischen Bereich als Mehrheitsmeinung die Haltung auf: Wer es (noch) nicht kann, sollte es besser sein lassen.
Nichts ist leichter zu diffamieren als musikalisch-künstlerische Zwischenergebnisse — der Beispiele sind Legion: Kommentare zu künstlerisch natürlich unbefriedigenden Musikschul-Vorspielen, die Schlußszene von Loriots Pappa ante portas oder solch unsägliche Veranstaltungen wie Deutschland sucht den Superstar, wo es um künstlerische Qualität wohl als letztes geht. Stattdessen lobt man schöné Endergebnisse, frei nach dem Motto: siehst Du, Dein Sohn kann fantastisch Klavier spielen, dann hätte er sich das viele Üben doch ersparen können.
Das Sich-selbst-weiterbringen gehört wohl zu den vornehmsten Früchten künstlerischer Tätigkeiten. Im Idealfall begleitet es einen Musiker sein Leben lang. Von Robert Schumann ist der Satz überliefert Es ist des Lernens kein Ende. Insofern ist jedes, auch das überzeugendste musikalische Ergebnis ein Zwischenergebnis. Und wer mal ein anspruchsvolles Chorwerk mit einem Laienchor vorbereitet hat, kennt die kritischen Stellen. Dort, wo gleichsam Untiefen lauern oder Stromschnellen, genau dort haben auch die Profis ihre Schwierigkeiten, selbst wenn sie natürlich ungleich besser als Laien damit umgehen können.
Selbstverständlich braucht es zum künstlerischen Studium einen Schutzraum, einen Bereich, in dem man sich ohne vorschnelles Urteil ausschließlich, aber gnadenlos der eigenen Kritik stellen kann. Und später, darüber hinaus, ein Gegenüber, das, sich der potentiell zerstörerischen Kraft seines Feedbacks bewusst seiend, offen und wohlwollend Kritik am Zwischenergebnis übt. Das erfordert freilich ein pädagogisches Geschick, das nicht von genervten Zwangszuhörern erwartbar ist. Zuhörer, die nolens volens - etwa weil sie ins Homeoffice verbannt wurden - durch Übeversuche penetrant gestört werden. Ich weiß darum, plädiere aber im Zweifel für wertschätzende Geduld. Diejenigen jedenfalls, die ernsthaft üben, haben in meinen Augen ungleich mehr Respekt verdient als jene, die sich in coronabedingter Enthemmung und Hybris zur vermeintlichen Ergötzung der Umwelt auf den Balkon stellen oder deren Musikausübung sich auf das Verwalten des Spotify-Abos beschränkt. Freilich: das Fenster sollten sie dennoch schließen.
Leider mehren sich derzeit Äußerungen von Fachleuten, die für die Probenpraxis von Chören angesichts der Corona-Pandemie keine guten Aussichten verheißen. Heute las ich in einer Einschätzung der Musikhochschule Freiburg die Sätze:
Bereits in kleinen Chorformationen von mehr als 5 Sänger*innen, aber erst recht in größeren Chorformationen ist davon auszugehen, dass sich das Infektionsrisiko durch die im Raum befindliche Durchmischung und den Austausch von Aerosolen, die virusbelastet sein könnten, potenziert. Hier müsste eine Corona-Infektion vor einer Chorprobe bei allen Beteiligten durch spezifische Testungen sicher ausgeschlossen sein, was zum jetzigen Zeitpunkt technisch nicht möglich ist. Aus den genannten Gründen sollten aus unserer Sicht Chorproben bis auf weiteres nicht erfolgen.
[Update, 20:12 Uhr:] Vielleicht kann sich der eine oder andere an diesem „Coronavideo” trösten, es wurde erstellt von David Stingl, als Teil des Rundfunkchor Berlins, dem die beschriebene Einschätzung ja ganz explizit die Perspektive auf eine schnelle Normalisierung der Situation raubt.
[Update, 1. Mai, 12:30 Uhr:] David Stingl hat auf seinem Blog ein paar Notizen zur Entstehung des Videos hinterlassen.
Corona und Liturgie: Marcel Proust schreibt irgendwo in À la recherché du temps perdu (1918): « La musique est peut-être l’exemple unique de ce qu’aurait pu être - s’il n’y avait pas eu le langage, la communication des âmes. » Und wir erleben nun (Stand heute, 12:07 Uhr, mindestens in NRW) Gottesdienste ohne Gesang - mit nur gesprochenem Wort. Es ist also die Stunde der reinen Instrumentalmusik, will man - akustisch - nicht in reine Textlastigkeit verfallen. Kirche braucht, so meine Wahrnehmung, Musik und gute Musiker derzeit mehr denn je.
Nach einem durchaus ereignisreichen Osterfest verbringe ich ein paar Tage im Urlaub am Niederrhein. Ich bin nach der mit dem Bischof komplett gestreamten Osterliturgie glücklich und dankbar meinen lieben Kollegen, mit denen ich in diesen Gottesdiensten zusammenarbeiten durfte, Chingyi Ho und Steffi Isenberg, sowie Karsten Klinker, Christian Kienel, Udo Honnigfort, Manuel Uhing und Gabriel Isenberg.
Am heutigen Karfreitag gab es aus der Thomaskirche eine äußerst spannende Version von Bachs Johannespassion: das ganze eigentlich vorgesehene Ensemble eingedampft auf Tenor, Schlagwerk und Orgel/Cembalo. Eingebunden sind Choralzuspiele von Bach-Chören aus der Schweiz, aus Kanada und Malaysia. Dabei herausragend: Tenor Benedikt Kristjánsson, vor dessen Leistung ich mich tief verneige.
Eine diskussionswürdige und bisweilen schräge Aufführung, in jedem Fall aber äußerst sehenswert. Der Mitschnitt ist in der ARTE-Mediathek verfügbar bis zum 9. Juli.
Die vorösterliche Zusammenarbeit, so von Homeffice zu Homeoffice, kann man derzeit zutreffend übertreibungsfrei als fiebrig bezeichnen. Und das hat nichts mit Corona zu tun.
Allenthalben kollaterale Zynismen, aus dem untauglichen Versuch geboren, einer Krankheit und dem daraus resultierenden Leid Sinn abzuringen. Danke an meinen Kollegen Johannes W. Vutz, der heute in der Oldenburger Volkszeitung schrieb: „Ob die ‚Leiden der Unschuldigen’ überhaupt Sinn haben können, muss um der Redlichkeit des Glaubens Willen offen bleiben.”
Twitter-Userin „alles b.“ bringt auf den Punkt, was mir an social media seit längerem sauer aufstößt: Weder möchte ich angeihrt noch eingewirt werden.
Das Homeoffice, oder besser die derzeit im Offizialat angeordnete Mobilarbeit erzeugt einen trügerischen Schein: äußerlich ist alles sehr ruhig, aber hinter den Kulissen gibt es reichlich Arbeit, zum Teil wird hektisch gearbeitet. Ich habe z.B. diese Reihe auf den Weg gebracht.
Mal jenseits der derzeit vieldiskutierten Frage nach der liturgischen Wirkung von gestreamten Gottesdiensten, von „One-man-shows“ oder „Privatmessen“ vor dem Hintergrund des heutigen Liturgieverständnisses, frage ich mich nach dem Sinn von eingespielten Liedern in diesen Gottesdiensten, also konkret Liedvorspiel + Begleitsatz. Klar, hier bekommt man als Teil der nur virtuell anwesenden Gemeinde in den meisten gestreamten Gottesdiensten einen Begriff von der tatsächlich vor Ort versammelten Gemeinde - anders als bei dem überwiegenden Teil der anderen Situationen im Ablauf einer solchen Messe. Aber das, was derartige Lieder ja ganz wesentlich ausmacht, nämlich ein in in beide Richtungen wirkendes Gemeinschaftserlebnis, ein sich einbringendes Wirksamwerden des Einzelnen (und das leisten gemeinsam gesungene Lieder ja auch jenseits liturgischer Zusammenhänge, also am Lagerfeuer beispielsweise oder auch im Stadion), genau das funktioniert bei gestreamten Gottesdiensten eben leider nicht.
Unter dem Titel Kirchenmusik im 21. Jahrhundert – Kulturfaktor im Wandelberichtet der Deutschlandfunk von einem Symposium in Frankfurt, das in der letzten Woche stattgefunden hat. Folgende in meiner täglichen Arbeit oft abzuwägende und meines Erachtens wichtige Aspekte kommen zur Sprache: 1) Die gesellschaftlich breite „Andockbarkeit“ an Kirchenmusik, zunächst einmal unabhängig von konkreten religiösen oder gesellschaftlichen Weltanschauungen. 2) Das Für und Wider sogenannter Leuchtturmkonzepte: Wenn es eine Reduzierung der Mittel gibt, sind herausgehobene Stellen mit exemplarischer Arbeit umso wichtiger. Dabei bleibt die Frage offen, ob das gelingen kann: wie beim Sport gibt es auch hier keine Breite ohne Spitze und keine Spitze ohne Breite. Jede Leuchtturmstelle braucht mithin ein Netz in der Fläche. 3) Die notwendige Neufassung von BU-Ermittlungen und Tätigkeitsbeschreibungen in der katholischen Kirche. „Katholischerseits haben wir die Kirchenmusiker immer noch gebündelt im ‚subsidiaren Dienst‘, das heißt: Sie sind nicht eigenständig, sie sind rein auf den liturgischen Dienst festgenagelt. Da Liturgien aber immer weniger werden und auch Gottesdienste, wird das eigentlich Potenzial, das Kirchenmusik leisten kann, überhaupt nicht genutzt“ (Reiner Schuhenn).
Ich bringe dem Mann im Rollstuhl spontan sein Tablett an den Tisch und frage: „Brauchen Sie noch Milch oder Zucker für den Kaffee?“ - „Nein, schwarz, ich trinke ihn schwarz, schwarz wie mein Fuß!“, entgegnet er. - „Schwarz wie Ihr Humor“, entfährt es mir.
Am 16. Februar habe ich zusammen mit Nicola Oltmanns (Blockflöten) und Lutz Heiwolt (Gambe) in der Stadtkirche Süchteln eine Kammermusik bestritten. Die Rheinische Post berichtete in einer Kurzkritik darüber: „Drei begeisterte Kammermusiker beglückten als makellos harmonierendes Trio die Zuhörer in der gut gefüllten Kirche” und lobte das Resultat als „technisch brillant, interpretatorisch fein abgestimmt und ausgewogen, dazu stets lebendig.”
Früher gab es zu einem solchen Anlass deutlich ausführlichere Kritiken – es ist erschreckend, wie wenig Raum diese Zeitung mittlerweile der Kultur einräumt. Eine ungute Tendenz, und es betrifft durchaus auch bedeutendere Konzerte, zu meinem Unverständnis sogar die Symphoniekonzerte in der Viersener Festhalle.
Mit den Studierenden des aktuellen C-Kurses und einigen Dozenten war ich gestern im Dom zu Osnabrück. Der dortige Domorganist Dominique Sauer hat uns in einer kurzen Einführung die dortigen Instrumente erschlossen und uns dann ausgiebig selber testen lassen: die Hauptorgel der schweizerischen Orgelbaufirma Kuhn, die mit dem Attribut „kleinste Kathedralorgel in Deutschland“ (53 Register, III Manuale) kokettiert, sowie die original von Cavaillé-Coll, bzw. Charles Mutin stammende Chororgel.
Beide Instrumente sind klanglich sehr eindrucksvoll. Neben der höchst ungewöhnlichen, über der Orgel gelegenen Spielanlage (diese sorgt auch für schön leichtgängige Trakturen) spricht mich noch ein anderer Aspekt an: wiewohl ich elektrische Zusatzladen als schmerzhaften Bruch in der Ästhetik empfinde, ist man hier bei der Konzeption der Versuchung widerstanden, das „Turmwerk“ nur mit großen, gewaltigen Zungen in allen Lagen zu bestücken. Die hier gewählte Variante – ausschließlich 8′-Stimmen, eine große Flöte, eine Stentor-Gambe, eine delikate und eine Plenumszunge – stellt eine echte Bereicherung, insbesondere für die Improvisation dar.